Aus großer Nähe, relevant, poetisch, humorvoll und eindringlich
erzählt Jens Mu¨hling von einem Meer zwischen den Trennlinien
Europas, von seinen Ufer- und Wasserbewohnern, seinen Strömungen
und Migrationswegen, seiner Vergangenheit und Zukunft –
und fu¨hrt uns vor Augen, dass alle Grenzen letztlich fließende sind.
« Ich habe das Schwarze Meer von allen Seiten gesehen, und von
keiner Seite war es schwarz. Es war silbrig, als ich im Fru¨hling
die noch menschenleeren Strände der russischen Kaukasusku¨ste
entlangfuhr. Es wurde blau, als ich im Mai Georgien erreichte.
In der Tu¨rkei schien es dem Gru¨n der Teeplantagen und Haselnussfelder
an seinen Ufern ähnlicher zu werden, und gru¨n blieb es,
bis ich im Spätsommer den Bosporus erreichte. Die ersten Herbststu¨rme
färbten es braun, als u¨ber der Ku¨ste Bulgariens die Vögel
su¨dwärts und die Touristen heimwärts zogen. Im rumänischen Donaudelta
schien der Himmel so tief u¨ber dem Meer zu hängen,
dass sein bleierner Ton auf das Wasser abfärbte. Als ich die Ukraine
erreichte, schoben die Wellen schmutzgraue Eisschollen u¨ber die
Strände. Erst auf der Krim hellte die Wintersonne das Meer wieder
auf, und hier nahm es den Ton an, den es in meiner Erinnerung
immer haben wird: ein tru¨bes, milchiges Gru¨n, wie ein Sud aus
Algen und Sonnencreme. »
Jahr:
2020
Verlag:
Reinbek, Rowohlt
Aufsätze:
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Systematik:
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R 11
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ISBN:
978-3-498-04545-6
2. ISBN:
3-498-04545-8
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Mediengruppe:
Belletristik Erw.